Digitale Transformation klingt nach einer komplizierten technischen Umstellung, ist in Wahrheit aber eine komplexe emotionale Veränderung.
Gerade HR im Mittelstand kennt das Thema: Die IT hat eine neue Software eingeführt, das Management redet von Digitalisierung und die Mitarbeitenden? Die sind nur genervt, dass es jetzt noch ein Tool gibt.
Und genau hier entsteht die Lücke zwischen Theorie und Praxis: Ein neues Tool verändert nicht nur die Oberfläche, sondern auch Arbeitsweisen und Prozesse, sogar Kulturen können sich verändern.
Software verändert Kultur
Nehmen wir die Einführung von Microsoft Teams. Klingt nach einem Softwareprojekt, ist aber in Wahrheit: Ein Kulturwandel
Früher hat man telefoniert. Heute chattet man. Oder sitzt in Calls mit Kamera, Blick immer auf den Bildschirm und bloß ein schicker Hintergrund.
Teams verändert nicht nur die Kommunikationskanäle, sondern auch unsere Erwartungen an Präsenz, Verfügbarkeit und Zusammenarbeit. Wer online ist, soll auch reagieren. Wer nicht reagiert, wirkt abwesend. Und plötzlich fühlt sich Arbeit an wie Dauerüberwachung, ohne dass das jemals unsere Absicht war.
Deshalb reicht es nicht, Software nur zu erklären, wir müssen auch klären wie wir sie leben wollen. Welche Regeln gelten? Welche Erwartungen sind realistisch und warum brauchen wir sie überhaupt?
Dieser Kulturwandel wird häufig vergessen. Im Projektmanagement kümmern wir uns um Kosten, Zeit und Qualität. Die Anwender:innen kriegen eine Schulung und niemand macht sich darüber Gedanken, was die Einführung der Software eigentlich wirklich bedeutet.
William Bridges bringt es in seinem Buch “Managing Transitions” auf den Punkt:
“Es ist kein Weg von der einen Straßenseite auf die andere, sondern eine Reise von einer Identität zur anderen und eine solche Reise braucht Zeit.”
Microsoft Teams: Wie man Software richtig einführt – oder eben nicht.
Teams ist ein gutes Beispiel – wir haben es alle erlebt.
Mitten in der Pandemie wurde die Software über Nacht eingeführt, um Zusammenarbeit überhaupt noch möglich zu machen.
Ich erinnere mich gut an diese Zeit: Informationen gingen unter, weil niemand mehr wusste, ob sie per Mail oder Chat kamen oder irgendwo in einem Kanal lagen. Und dann waren da diese Videos mit der Maus auf dem Staubsaugerroboter, damit die Anzeige nicht auf „abwesend“ springt.
Mit der Zeit haben wir in unserem Team Spielregeln definiert, Erwartungen geklärt, Routinen etabliert. Das hätte von Anfang an Teil des Projekts sein müssen. Ich kenne heute noch Menschen, die mit Teams auf Kriegsfuß stehen, weil sie nie für sich erkannt haben, welchen Mehrwert die Software bringt.
Kulturwandel zu ignorieren ist teuer
Genau das passiert, wenn wir die Begleitung des Kulturwandels ignorieren: Mitarbeitende fühlen sich vergessen, ihre Motivation schwindet. Das Potential der Software wird nicht so genutzt, wie es möglich wäre und im Zweifel entstehen Schattenprozesse, die die Nutzung der Software umgehen.
So kostet vergessener Kulturwandel Unternehmen richtig Geld, ihn dagegen von Anfang an mitzudenken, ist zwar nicht umsonst, aber ganz bestimmt günstiger.
Für die Praxis - 3 Fragen zum Thema
Wer begleitet den Kulturwandel?
Im besten Fall gibt es jemanden im Projektteam, der nicht nur auf die Technik schaut, sondern auf das Miteinander. Oft heißt es, der Projektleiter ist für das Change Management zuständig, dieser hat aber häufig einfach keine Kapazitäten, sich darum zu kümmern.
Genau hier kann sich HR als strategischer Partner positionieren: Indem intern Ressourcen bereitgestellt oder gezielt externe Expertise eingebunden wird.
Wie können wir den Kulturwandel gestalten?
Nicht mit einem Plakat in der Kaffeeküche. Sondern durch echte Beteiligung: Gemeinsame Spielregeln entwickeln, Feedback einholen, Routinen anpassen. Kultur ist das, was täglich passiert – und wer hier Gestaltungsspielräume schafft, verhindert Frust und Schattenprozesse.
Was brauchen Mitarbeitende, um mitzugehen?
Mehr als eine Schulung. Sie brauchen Orientierung, Dialog und die Möglichkeit, ihre Erfahrungen einzubringen. Fragt: „Was brauchst du, um gut mit dem neuen Tool zu arbeiten?“ Und nehmt euch die Zeit, den konkreten Mehrwert für ihre Arbeit gemeinsam sichtbar zu machen. Erst dann wird aus Technik echte Veränderung.