Eine Transformation ohne Zielbild ist wie in den Urlaub zu fahren ohne Plan vom Reiseziel. Kann funktionieren, aber wahrscheinlich haben wir die falschen Klamotten mit und verpassen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Bilder geben uns die Kraft unsere gewohnten Pfade zu verlassen und Neues zu wagen. Wenn wir vor unserem Urlaub Reiseberichte schauen und uns ein Bild vom Ziel machen, wächst unsere Sehnsucht. Genau diese Sehnsucht treibt uns im Urlaub aus dem Bett, um unser Ziel zu erreichen.
Zielbilder bestimmen die Richtung
So funktioniert es auch bei Transformationen. Bei einem Kunden von mir ist genau das passiert: Ein Patientenportal sollte eingeführt werden. Der Kunde hatte viele Wünsche und Anforderungen an das Portal, was fehlte war eine konkrete Vorstellung, wie Patient:innen und Personal das Portal nutzen sollten.
Hierzu schauten wir auf den Gesamtprozess von dem ersten Kontakt eines Patienten bis zur späteren Entlassung und dem Abschluss der Behandlung. Das entstandene Prozessbild verdeutlicht an welchen Stellen das Portal von wem bedient werden soll, wo Schnittstellen zu weiteren Systemen liegen und welche Daten von A nach B fließen. So fiel es allen Beteiligten viel leichter die Anforderungen einzuordnen und auch zu priorisieren.
In einem anderen Projekt sollte ein Dashboard realisiert werden, das verschiedene Störmeldungen zusammenfasst. Die Anwender:innen waren hoch engagiert bei der Sache, trotzdem drehten sich die Diskussionen oft im Kreis und Anforderungen waren schwer greifbar. In einem gemeinsamen Workshop bastelten wir deshalb mit Powerpoint ein Bild des zukünftigen Dashboards. Wieder konnten so die Anforderungen und Priorisierungen aus diesem Bild viel einfacher abgeleitet werden.
Zielbild erstellen
Wie erreichen wir ein solches Zielbild? Dazu will ich im Folgenden eine Handlungsempfehlung geben:
1. Definiert die Form des zukünftigen Bildes
Was hilft euch am Ende weiter? Wollt ihr ein Bild der fertigen Software entwerfen? Braucht ihr einen Zielprozess? Oder geht es noch gar nicht so konkret und ihr braucht einfach eine schriftliche oder gezeichnete Vision eurer Zukunft?
2. Wie ist der Status quo?
Überlegt: Wie sieht das aktuelle Bild aus? Wie löst ihr das Problem heute? Sammelt diese Punkte für alle sichtbar, markiert, was hat sich bewährt, was soll auf jeden Fall verändert werden?
3. Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Welche Wünsche habt ihr an den zukünftigen Prozess / die Software / die Zukunft? Tauscht Ideen aus, blickt über den Tellerrand. Wichtig in diesem Schritt: Wie soll es wirklich aussehen? Löst euch von dem, was ihr wisst, was möglich ist. In diesem Schritt sollte es keine Beschränkungen geben.
4. Das Bild erstellen
Visualisiert nun die Ideen aus dem letzten Schritt, das heißt zeichnet z.B. den zukünftigen Prozess oder eure Idee der Zukunft. Manchmal merkt ihr hier schon, dass einige Ideen aus Punkt 3 nicht zusammenpassen. Entscheidet euch in einem solchen Fall für einen der Punkte der eine kombinierte Variante.
Ein Zielbild lebt
Anhand des fertigen Bildes ist es nun viel einfacher Anforderungen zu erstellen und zu priorisieren, was wichtig ist. Wir sehen auf einen Blick, was alles notwendig ist, damit das Bild erreicht werden kann, was auch Budgetplanungen vereinfacht. Das erstellte Bild sollte für alle gut sichtbar sein und immer wieder herangezogen werden. So haben auch alle Stakeholder und Mitarbeitenden eine Orientierung wo es hingeht.
Wichtig: Das Bild darf sich verändern. Ihr werdet im weiteren Verlauf des Prozesses Erkenntnisse gewinnen, die ihr bei der Bilderstellung noch nicht hattet. Lasst diese Erkenntnisse einfließen und verändert das Bild entsprechend, wenn es notwendig wird.
Durch die stetige Betrachtung und Verwendung des Bildes, wird es automatisch bei anstehenden Entscheidungen mit einbezogen. Bei der Neugestaltung des Störprozesses wurden beispielsweise die Informationen auf dem Dashboard direkt mit berücksichtigt.
Für die Praxis - 3 Fragen zum Thema
Wie konkret muss ein Zielbild sein?
Ein Zielbild sollte so konkret sein, dass es Stakeholdern Orientierung bietet. Jede/r, der das Bild anschaut, muss sofort verstehen, wo es hingehen soll. Zeitgleich sollte es nicht so detailliert sein, dass die Kreativität bei der Umsetzung eingeschränkt wird. Bei dem Dashboard hieß das zum Beispiel, dass wir wussten, welche Informationen auf dem Board enthalten sind, aber die Farbe wurde bewusst offen gelassen.
Was mache ich, wenn wir im Team komplett unterschiedliche Bilder im Kopf haben?
Das ist erstmal nichts schlimmes, im Gegenteil, es ist sogar gut, weil ihr dann noch kreativer denkt. Statt Endlosdiskussionen nutze ich gerne die Struktur 1-2-4-all aus den Liberating Structures. Hier werden die Ideen in Kleingruppen immer weiter konsolidiert. Zuerst alleine (1), dann zu zweit (2), dann zu viert (4) und schließlich in der Gesamtgruppe (all).
Wie viel Zeit sollten wir in die Erarbeitung des Zielbildes investieren?
In der Regel dauert es 1-2 Workshops, bis das Zielbild steht, wenn die richtigen Leute am Tisch sitzen. Hier hat sich eine Mischung aus strategischen Entscheider:innen und operativen Mitarbeitenden bewährt. Zusätzlich sollte jemand dabei sein, der den Prozess moderiert und dokumentiert.